Länger durchhalten beim Sex

Unter „mangelndem Durchhaltevermögen“ kann man beim Sex zwei verschiedene Dinge verstehen: Zum einen kann es bedeuten, dass die Erektion nicht befriedigend lange genug aufrechterhalten werden kann und der Penis schnell wieder erschlafft. In diesem Fall spricht man von Erektionsstörungen oder erektiler Dysfunktion. Zweitens kann es bedeuten, dass der Orgasmus sehr schnell erreicht wird und der Sex dadurch (zu) früh beendet ist. In diesem Fall spricht man von vorzeitigem Samenerguss, medizinisch Ejaculatio praecox. In diesem Artikel widmen wir uns dem Thema vorzeitiger Samenerguss und was Du tun kannst, wenn Du betroffen bist. 

Beide Konditionen müssen nicht automatisch zu einem unbefriedigenden Sexleben führen. Denn am Ende entscheiden die beiden Sexualpartner, was für sie guter Sex ist. Führt die Situation jedoch zu einem unbefriedigenden sexuellen Erleben und belastet sie die Partnerschaft, solltest Du dem Problem auf den Grund gehen.

Erektionsstörungen immer ärztlich untersuchen lassen

Achtung! Im Fall einer länger anhaltenden Erektionsstörung ist es besonders wichtig, eine Arztpraxis aufzusuchen, da Erektionsstörungen auch ein früher Hinweis auf eine Gefäßerkrankung sein können. Je frühzeitiger diese behandelt werden, desto besser können mögliche Langzeitfolgen wie Herzinfarkt oder Schlaganfall vermieden werden.

Zu früh? Eine Frage der Definition

Vorzeitiger Samenerguss zählt zu den häufigsten sexuellen Funktionsstörungen und wird den Orgasmusstörungen zugerechnet. Geschätzt sind rund 20 bis 40 Prozent der Männer davon betroffen (Prävalenz), wie man aus Stichprobenuntersuchungen schließt¹. 

Allerdings ist die Definition – und damit auch die Schätzung der Häufigkeit von vorzeitigem Samenerguss – nicht ganz einfach. Ganz allgemein versteht man unter vorzeitigem Samenerguss die Unfähigkeit, den Zeitpunkt der Ejakulation zu kontrollieren. Es gibt jedoch keinen Richtwert für eine „normale Zeitdauer“ bis zum Samenerguss. Ob der Samenerguss zu früh ist und ob ein Mann mangelndes „Durchhaltevermögen“ beim Sex hat, ist daher im Wesentlichen eine subjektive, sehr persönliche Einschätzung, die stark von den eigenen Erwartungen und denen der Partnerin oder des Partners abhängig ist. Auch die häufig vertretene Meinung, dass vorzeitiger Samenerguss vor allem bei jungen Männern vorkommt, ist ein Mythos. Ejaculatio praecox kommt bei Männern in jedem Alter vor. 

Behandlung: Eine Frage der Belastung

Aufgrund der schwierigen Definition und dem starken Einfluss von subjektivem Empfinden wird vorzeitiger Samenerguss nur bei sehr hohem Leidensdruck als medizinisch behandlungsbedürftig eingestuft. Das gilt, wenn diese Faktoren vorliegen:  

• Der Samenerguss kommt fast immer ungewollt einige Sekunden bis Minuten nach Einführen des Penis. 
• Dies geschieht regelmäßig über einen Zeitraum von mehr als sechs Monaten.
• Der Betroffene empfindet die Situation als starke Belastung.
• Es liegen keine anderen Erkrankungen vor, die für die Kondition verantwortlich sein könnten

Nicht behandlungsbedürftig ist vorzeitiger Samenerguss, wenn

• er nur hin und wieder vorkommt.
• der Betroffene länger nicht sexuell aktiv war. In diesem Fall ist ein früher Samenerguss eine normale Reaktion des Körpers.  
• die Dauer bis zum Samenerguss eigentlich relativ lang ist und nur als zu kurz empfunden wird

Psychisch, physisch, angeboren – Ursachen bislang wenig erforscht

Die Ursachen für den vorzeitigen Samenerguss sind bislang nur oberflächlich erforscht. Zunächst muss man unterscheiden, ob die Störung 

• erworben ist, d.h. zu einem bestimmten Zeitpunkt erstmals aufgetreten ist, oder ob sie eventuell 
• angeboren ist, d. h. ein Mann immer, auch schon zu Beginn des Sexuallebens, einen vorzeitigen Samenerguss erlebt. 

Weiter unterscheidet man im Wesentlichen zwei Ursachen: 

Körperliche Ursachen:

• Ein überempfindlicher Penis (evtl. angeboren)
• Veränderungen im Zusammenspiel von Hormonen und Nerven

Psychische Ursachen: 

• Ängste (Versagensängste, soziale Ängste, hohe Erwartungen an sich selbst)
• Probleme in der Partnerschaft
• Unregelmäßiger Geschlechtsverkehr und damit verbundene Unsicherheit

Eine Kombination aus beidem kann vorliegen, wenn der frühzeitige Samenerguss eine Folgeerscheinung einer körperlich oder psychisch bedingten Erektionsstörung ist. Dann kann es passieren, dass aus Angst, die Erektion nicht länger halten zu können, der Samenerguss vorzeitig erfolgt. 

Therapie: Behandlungsmöglichkeiten für längeres Durchhalten

Die Therapien für längeres Durchhalten beim Sex sind vielfältig und reichen von Medikamenten über Potenzpillen und Sexualtherapie bis hin zu Techniken und Hilfsmitteln, die Du einfach und unkompliziert zu Hause anwenden und üben kannst. 

Betäubungsmittel und Medikamente

• Lokale Betäubungsmittel (Lokalanästhetika) in Form von Salben oder Sprays. Sie werden ca. 20 Minuten vor dem Geschlechtsverkehr auf den Penis aufgetragen. Das Betäubungsmittel (meist auf Basis von Lidocain, ein Betäubungsmittel, das auch in der Zahnmedizin eingesetzt wird) sorgt dafür, dass der Penis weniger empfindlich ist und die Zeit bis zum Samenerguss länger dauert. Die Wirkung ist nur temporär, verschwindet also nach einer gewissen Zeit wieder. Lidocain-haltige Produkte sind frei verfügbar und können in Apotheken und Online-Apotheken gekauft werden. 
• Betablocker: Diese in der Regel zur Behandlung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen eingesetzten Medikamente reduzieren die Herzfrequenz und den Blutdruck, wodurch die Herzarbeit verringert und die Aktivität des autonomen Nervensystems reduziert wird. Dadurch können Betablocker helfen, die nervöse Anspannung zu vermindern und die Kontrolle über die Ejakulation zu verbessern. Betablocker sind verschreibungspflichtig und nur mit einem ärztlichen Rezept erhältlich. 
• Antidepressiva: Sogenannte SSRIs (Selektive Serotonin Wiederaufnahme Hemmer) erhöhen den Serotoninspiegel im Gehirn. Serotonin ist ein Neurotransmitter, der Stimmungen und Ängste beeinflusst. Ein Mehr an Serotonin verändert die Übertragung von Nervenimpulsen und kann so zu einer Verzögerung der Ejakulation führen. Beachten sollte man jedoch, dass Antidepressiva erhebliche Nebenwirkungen haben können, zu denen auch sexuelle Unlust oder Erektionsstörungen gehören können. SSRI sind verschreibungspflichtig und in der Regel nicht für die Behandlung von Ejaculatio praecox zugelassen. Die einzige Ausnahme ist Dapoxetin, welches Ärztinnen und Ärzte auch explizit zur Behandlung von vorzeitigem Samenerguss verschreiben können. 

Potenzpillen für längeren Sex: Was bringen: PDE-5-Hemmer wie Sildenafil oder Tadalafil ?

Potenzmittel, also PDE-5-Hemmer wie Viagra® (Sildenafil), Cialis® (Tadalafil) oder Spedra, können auch für die Behandlung von vorzeitigem Samenerguss eingesetzt werden. Eine Metastudie², die die Ergebnisse aus 7 verschiedenen Studien zusammen trug, kam zu dem Ergebnis, dass bei Männern, die PDE-5-Hemmer nahmen, beim Geschlechtsverkehr die Zeit bis zum Samenerguss (intravaginal ejaculatory latency time, IVELT) deutlich länger war als bei Männern, die ein Placebo (wirkungsloser Ersatzstoff) erhielten. Besonders wirksam scheint eine Kombination aus SSRIs und PDE-5-Hemmern zu sein. Vor allem zeigt die Behandlung mit PDE-5-Hemmern eine gute Wirkung, wenn gleichzeitig zur Ejaculatio Präcox eine Erektionsstörung besteht. Nicht ganz klar ist, ob die Ergebnisse für beide Formen des vorzeitigen Samenergusses, angeborener und erworbener Ejaculatio praecox, zutreffen. Es gibt jedoch Hinweise darauf, dass PDE-5-Hemmer besonders bei der erworbenen Form wirksam sind. 

Treten Ejakulationsstörungen in Zusammenhang mit einer Erektionsstörung auf, solltest Du Dich immer ärztlich untersuchen lassen. Ob PDE-5-Hemmer eine wirksame Behandlungsmöglichkeit für Dich sind, kann nur ein Arzt oder eine Ärztin klären. Auch sind PDE-5-Hemmer verschreibungspflichtig und nur gegen ärztliches Rezept erhältlich. Der Grund: Diese Wirkstoffe (Sildenafil, Tadalafil, Avanafil, Vardenafil) können erhebliche Neben- und Wechselwirkungen haben und müssen, was Dosierung und Wirkstoff betrifft, auf die persönlichen Risikofaktoren abgestimmt sein.  

Psychotherapeutische Ansätze 

• Sexualtherapie: Ziel einer Sexualtherapie ist es, die Ursachen für das empfundene mangelnde Durchhaltevermögen zu erforschen und sich mit eventuell zugrunde liegenden Ängsten, Blockaden oder Unsicherheiten bewusst zu machen. Die aktive Beschäftigung mit negativen Einflüssen und das Erlernen von Strategien zum Umgang damit kann helfen, das Problem zu lösen. Die Therapie kann als Einzel- oder Paartherapie durchgeführt werden.
• In Form einer Paartherapie kann diese Behandlungsmöglichkeit auch helfen, die Kommunikation über Bedürfnisse und Gefühle zu verbessern. 

Tipps und Techniken: Einfache Mittel und Wege zu mehr Durchhaltevermögen

• Kondome: Kondome können helfen, die Empfindlichkeit des Penis zu reduzieren und den Sex zu verlängern. Du kannst hier auch mit verschiedenen Arten von Kondomen experimentieren. Zum Beispiel, indem Du dickere Kondome verwendest oder reizlindernde Kondome benutzt, die auf der Innenseite mit Betäubungsmitteln wie Lidocain (s. o.) beschichtet sind. 
• Start-Stopp-Technik und Squeeze-Technik: Beide Techniken kannst Du selbst anwenden, um den Samenerguss hinauszuzögern. Mit etwas Übung lernen 95 Prozent der Männer, ihre Ejakulation um 5 bis 10 Minuten hinauszuzögern. Bei der Start-Stopp-Technik wird die Stimulation des Penis kurz vor der Ejakulation unterbrochen. Bei der Squeeze-Technik wird kurz vor dem Samenerguss der Bereich unterhalb der Eichel für 10 bis 20 Sekunden abgedrückt. So wird in beiden Fällen der Samenerguss verhindert und die Stärke der Erektion vermindert. Nach ca. 30 Sekunden kann der Penis dann wieder stimuliert werden. Mit diesen Techniken kannst Du lernen, auch bei starker Erregung den Samenerguss zu verhindern und dadurch beim Sex länger durchzuhalten. 
• Beckenbodentraining: Je stärker die Muskulatur im Beckenboden, desto besser ist es möglich, die Ejakulation bewusst durch Kontraktion der Muskeln zu stoppen. Im Wesentlichen werden dafür die Muskeln genutzt, die es auch ermöglichen, beim Wasserlassen den Strahl zu unterbrechen. Durch gezielte Beckenbodenübungen, wie z. B. die sogenannten Kegelübungen, lassen sich diese Muskeln stärken. 
• Masturbieren vor dem Sex: Eine Möglichkeit, den Reiz zu minimieren und das Durchhaltevermögen zu steigern, ist es, vor dem Sex zu masturbieren. Meist dauert es länger, zum zweiten Samenerguss zu kommen.

Zusammenfassung

Vorzeitiger Samenerguss tritt bei 20 bis 40 Prozent der Männer auf und ist nicht auf eine gewisse Altersgruppe beschränkt. Die Kondition kann angeboren sein oder im Laufe des Lebens neu auftreten. Die Ursachen sind bislang wenig erforscht. Meist werden die Beschwerden auf eine Überempfindlichkeit des Penis oder psychische Faktoren wie Versagensängste zurückgeführt. Medikamentös kann die Kondition durch Medikamente wie Betablocker, Antidepressiva oder Potenzpillen mit Wirkstoffen wie Sildenafil oder Tadalafil behandelt werden. Letztere helfen jedoch nur, wenn der vorzeitige Samenerguss im Zusammenhang mit einer Erektionsstörung auftritt. Des Weiteren können Betroffene durch Sexualtherapie, Techniken wie der Start-Stopp-Technik oder der Squeeze-Technik, reizlindernde Kondome oder Beckenbodentraining eine Verbesserung der Situation erreichen.