Nerven, Hormone, Botenstoffe – die mögliche Wirkung von Medikamenten auf die sexuelle Leistungsfähigkeit
Grundsätzlich können nahezu alle Medikamente leichte bis schwere Nebenwirkungen haben. Manchmal kann es also passieren, dass man für die Besserung eines gesundheitlichen Problems eine Verschlechterung an anderer Stelle erfährt. Zeigen sich die Nebenwirkungen im Bereich der Sexualität, ist dies für die Betroffenen oft besonders belastend. Hier erfährst Du, welche Medikamente Erektionsstörungen auslösen können und wie Du damit umgehen kannst.
Libido, Erektion, Orgasmus oder Ejakulation – Medikamente können sich auf alle Bereiche der männlichen Sexualität auswirken und die komplexen körperlichen und psychischen Prozesse beeinflussen. Bis zu 25 Prozent der Erektionsstörungen lassen sich laut Untersuchungen der Urologic Clinics of North America direkt oder indirekt auf den Einfluss eines Medikaments zurückführen.
In den meisten Fällen verschwinden die Symptome nach Absetzen des Medikaments wieder. Es gibt jedoch auch Fälle, in denen Nebenwirkungen weiter bestehen bleiben, auch wenn das Medikament nicht mehr eingenommen wird.
Jeder Mensch und jede Ausgangssituation sind verschieden. Ob und wie sich ein Medikament auf die Sexualität auswirkt und Erektionsstörungen begünstigt, ist daher individuell verschieden. Bei einigen Medikamenten und Wirkstoffgruppen ist jedoch bereits bekannt, dass sie das Risiko für eine erektile Dysfunktion erhöhen können. Dazu gehören:
Um die möglichen Auswirkungen von Medikamenten auf die sexuellen Funktionen genauer zu verstehen, muss man drei Ebenen betrachten:
Entsprechend ergeben sich vier funktionelle Bereiche, innerhalb derer Arzneimittel auf die sexuellen Abläufe im Sinne einer Störung einwirken können:
Die Regulierung der Erektion und Erschlaffung des Penis wird durch zwei Arten von Nervenfasern gesteuert: parasympathische Nerven (für Erektion) und sympathische Nerven (für Erschlaffung). Diese Nerven verwenden unterschiedliche chemische Botenstoffe: Acetylcholin für die Erektion und Noradrenalin für die Erschlaffung. Medikamente, die die Wirkung von Acetylcholin blockieren (anticholinerge Medikamente), können daher die Erektion negativ beeinflussen. Beispiele für solche Medikamente sind Neuroleptika, trizyklische Antidepressiva und einige Parkinson-Medikamente. Im Gegensatz dazu können Medikamente, die den Botenstoff Noradrenalin beeinflussen, unter anderem eine dauerhaft schmerzhafte Erektion, die länger als 2 Stunden anhält (Priapismus) verursachen.
Aber nicht immer sind Nebenwirkungen „echt“. Vielleicht kennst Du den Placebo-Effekt. Er beschreibt den Effekt, dass Menschen eine Besserung durch ein Medikament verspüren, obwohl sie nur ein Scheinmedikament ohne Wirkstoff erhalten haben. Hier wirkt sich also allein die Vorstellung, dass das Medikament hilft, positiv auf das Gesundheitsempfinden aus.
Diesen Effekt gibt es jedoch auch in der umgekehrten Variante. Man spricht vom Nocebo-Effekt, wenn Patienten / Patientinnen aufgrund negativer Erwartungen negative Reaktionen verspüren. Anders gesagt: Die Patienten und Patientinnen fühlen sich schlechter oder entwickeln tatsächliche Symptome, weil sie an die schädlichen Nebenwirkungen oder die Ineffizienz einer Behandlung glauben. Diese Effekte können sowohl körperlicher als auch psychischer Natur sein und zeigen, wie stark mentale Einstellungen die Gesundheit beeinflussen können.
Es ist also möglich, dass das Wissen über die mögliche Nebenwirkung „erektile Dysfunktion“ dazu führen kann, dass ein Mann diese Symptome erlebt. Eine Studie6 untersuchte Männer, die neu mit Herzkrankheiten diagnostiziert wurden, aber keine Potenzstörungen hatten. Sie wurden mit dem Betablocker Atenolol (Tenormin) behandelt, aber nur jeder Zweite wurde über die möglichen sexuellen Nebenwirkungen informiert. Interessanterweise berichtete fast ein Drittel der Patienten, die über die Nebenwirkungen informiert wurden, über sexuelle Funktionsstörungen. Im Gegensatz dazu gaben nur 3 Prozent derjenigen, die weder den Namen des Medikaments noch dessen Nebenwirkungen kannten, an, Erektionsstörungen erlebt zu haben.
Bei bestimmten Medikamenten und Wirkstoffgruppen ist bekannt, dass sie die männliche Sexualität negativ beeinflussen können. Dazu gehören unter anderem Blutdruckmedikamente, Medikamente gegen Erkrankungen des Magen-Darm-Traktes, Antidepressiva, Lipidsenker und Haarwuchsmittel. Störungen treten dabei in allen Bereichen – von Erektions- und Ejakulationsstörungen bis zu Orgasmus- und Libidoproblemen. Der Nocebo-Effekt kann in manchen Fällen dazu führen, dass Nebenwirkungen nicht durch das Medikament selbst, sondern allein durch die negative Erwartung verursacht werden. Um das Risiko für Neben- und Wechselwirkungen zu reduzieren, ist es wichtig, die Angaben im Beipackzettel zu beachten und die behandelnden Ärzte / Ärztinnen umfassend über die eigene Krankengeschichte und eingenommene Medikamente, Nahrungsergänzungs- oder Naturheilmittel zu informieren.
Die häufigsten Medikamente, die mit Erektionsstörungen assoziiert werden, sind blutdrucksenkende Mittel. Besonders bekannt sind hier Betablocker (Medikamente, deren Namen oft auf "-lol" enden), und Mittel gegen erblich bedingten Haarausfall (da sie auf denselben Wirkstoffen basieren). Weiterhin wurden Erektionsstörungen als Nebenwirkung beobachtet bei H2-Blockern (Magenmedikamente) und Lipidsenkern.
Das Risiko für Erektionsstörungen durch Medikamente kann verstärkt werden, wenn zusätzlich noch weitere Faktoren wie Rauchen, Übergewicht, hoher Blutdruck, Diabetes oder psychische Faktoren wie Stress oder Depression hinzukommen. Es ist auch möglich, dass das Bewusstsein über mögliche Nebenwirkungen die Wahrscheinlichkeit erhöht, diese zu erleben (Nocebo-Effekt).
Ja, besprich Deinen Medikationsplan ausführlich mit Deinem Arzt oder Deiner Ärztin und lass Dich über mögliche Nebenwirkungen aufklären. Wenn der Verdacht besteht, dass Deine Erektionsstörungen durch ein Medikament verursacht werden, kann der Arzt / die Ärztin möglicherweise ein alternatives Mittel mit einem anderen Nebenwirkungsprofil verschreiben oder die Dosis anpassen.
Präventive Maßnahmen umfassen Nikotinverzicht, eine ausgewogene Ernährung, regelmäßige Gesundheitschecks zur Überwachung von Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie regelmäßige körperliche Aktivität. Außerdem ist es wichtig, offen mit Deinem Arzt oder Deiner Ärztin und Deinem Partner oder Deiner Partnerin über das Problem zu sprechen. Die Auseinandersetzung mit dem Thema ist ein wichtiger Teil der Therapie.
Die Dauer bis zur Verbesserung variiert je nach individuellem Gesundheitszustand, Art des Medikaments und Dauer der Einnahme. In vielen Fällen kann eine Besserung innerhalb von Wochen bis Monaten beobachtet werden. Einige Medikamente können jedoch länger im Körper verweilen und die Wiederherstellung der Erektionsfähigkeit kann daher mehr Zeit in Anspruch nehmen. Es gibt leider auch Berichte von nicht reversiblen Erektionsstörungen durch Medikamente.
1. Thomas, A., Woodard, C., Rovner, E. S., & Wein, A. J. (2003). Urologic complications of nonurologic medications. Urologic Clinics of North America, 30(1), 123–131. https://doi.org/10.1016/s0094-0143(02)00111-8
2. Slag, M. F. (1983). Impotence in medical clinic outpatients. JAMA, 249(13), 1736. https://doi.org/10.1001/jama.1983.03330370046029
3. Medikamente, die Sexualstörungen verursachen können - Selbsthilfegruppe Impotenz. (n.d.). https://impotenz-selbsthilfe.de/ursachen/medikamente/
4. Harvard Health. (2021, February 15). Some drugs may cause your erectile dysfunction. https://www.health.harvard.edu/mens-health/some-drugs-may-cause-your-erectile-dysfunction
5. Ärzteblatt, D. Ä. G. R. D. (2002, November 15). Medikamente als Verursacher sexueller Dysfunktionen: Eine Analyse von Daten des deutschen Spontanerfassungssystems. Deutsches Ärzteblatt. https://www.aerzteblatt.de/archiv/34480/Medikamente-als-Verursacher-sexueller-Dysfunktionen-Eine-Analyse-von-Daten-des-deutschen-Spontanerfassungssystems
6. DocCheck, M. B. (n.d.). Priapismus - DocCheck Flexikon. DocCheck Flexikon. https://flexikon.doccheck.com/de/Priapismus?utm_source=www.doccheck.com&utm_medium=DC%2520Search&utm_campaign=DC%2520Search%2520content_type%253Aall&utm_content=DC%2520Search%2520Priapismus
7. Silvestri, A. (2003). Report of erectile dysfunction after therapy with beta-blockers is related to patient knowledge of side effects and is reversed by placebo. European Heart Journal, 24(21), 1928–1932. https://doi.org/10.1016/j.ehj.2003.08.016
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